Geschichte des Ur- und Frühgeschichtlichen Instituts
Die Anfänge der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie an der Universität Freiburg reichen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Die institutionelle Keimzelle des Fachs bildete das ‚Museum für Urgeschichte und Ethnographie‘ der Universität, das 1867 gegründet und gemeinschaftlich von den jeweiligen Direktoren des Geologischen und des Anatomischen Instituts geleitet wurde. |
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trieb Wilhelm Deecke (1862–1934), der 1906 die Leitung des Geologischen Instituts übernommen hatte, den Ausbau des Faches voran. Zielstrebig baute er die Sammlung des ‚Museums für Urgeschichte‘ aus, das bei seinem Amtsantritt lediglich aus einem Schrank mit Funden und einigen Büchern bestanden hatte. Grundsätzlich vertrat Deecke die Überzeugung, die Urgeschichte sei zwar eng mit der Geologie verschwistert, letztlich bilde sie aber eine eigenständige Disziplin. Der Ausbau des Museums für Urgeschichte zu einer Einrichtung mit eigenen Räumen und einer dauerhaften Vertretung in Forschung und Lehre war deshalb der nächste logische Schritt. |
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Nach dem Auszug der Mineralogie wurden im Jahre 1926 im Geologischen Institut in der Hebelstraße 40 mehrere Räume frei, in denen nun das Museum für Urgeschichte untergebracht wurde, bestehend aus einer Bibliothek, der Lehrsammlung und Arbeitsräumen. Zur Betreuung dieser Einrichtung rief Deecke den Prähistoriker Georg Kraft (1894–1944) nach Freiburg, der somit zum ersten hauptamtlichen Vertreter des Faches an der Universität Freiburg wurde. Deecke beschäftigte Kraft im Rahmen einer Assistentenstelle am Geologischen Institut und ermöglichte ihm 1926 die Habilitation für das Fach ‚Urgeschichte‘. Als Privatdozent bot Kraft seit dem Sommersemester 1927 regelmäßig Lehrveranstaltungen an. Neben seiner Tätigkeit an der Universität übernahm Kraft 1930 auch die Funktion des archäologischen Denkmalpflegers für Oberbaden, so dass er fortan für die drei für die Ur- und Frühgeschichte in der Region maßgeblichen Arbeitsbereiche verantwortlich war: Die Betreuung des Museums für Urgeschichte, die Vertretung des Fachs in Forschung und Lehre an der Universität sowie die Verantwortung für die archäologische Denkmalpflege. Unter Krafts Ägide erreichte die ur- und frühgeschichtliche Forschung am südlichen Oberrhein bald eine zuvor nicht gekannte Intensität. 1937 löste man das Museum für Ur- und Frühgeschichte vom Geologischen Institut und wies es als selbstständige Einrichtung der Philosophischen Fakultät zu. 1937 bezog man neue Räumlichkeiten im Adelhauserkloster, wo wenig später auch eine Schausammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Im Gegensatz zu den meisten deutschen Universitäten gelang es in Freiburg während des ‚Dritten Reiches‘ dagegen nicht, einen regulären Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte einzurichten bzw. die Dozentur Georg Krafts ent-sprechend aufzuwerten. Kraft starb 1944 beim großen Bombenangriff auf Freiburg, bei dem auch das Museumgebäude beschädigt wurde. Immerhin blieb die Sammlung vor gravierenden Verlusten verschont. |
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Nach einer längeren Übergangsphase trat 1947 Wolfgang Kimmig (1910–2001) die Nachfolge Krafts an. Auch ihm oblagen neben universitärer Forschung und Lehre die Betreuung der archäologischen Denkmäler in Südbaden sowie des Museums für Urgeschichte, dessen Bestände allerdings seit Kriegsende aus Mangel an geeigneten Räumlichkeiten nicht öffentlich gezeigt werden konnten. | |
Als Wolfgang Kimmig 1954 einen Ruf auf den Lehrstuhl in Tübingen annahm, nutzte man die Gelegenheit, die ur- und frühgeschichtlichen Institutionen in Südbaden neu zu ordnen: Man trennte das nun selbstständige ‚Institut für Ur- und Frühgeschichte‘ der Universität von der Denkmalpflege und dem Museum. Gleichzeitig richtete die Universität ein Extraordinariat für Ur- und Frühgeschichte ein, auf das 1956 Edward Sangmeister (1916–2016) berufen wurde. Bereits wenige Jahre später, 1959, wurde dieser Lehrstuhl in ein Ordinariat umgewandelt, nachdem Sangmeister einen Ruf an die Universität Kiel abgelehnt hatte. Während die ur- und frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Freiburg bis dahin durch die Verbindung mit Museum und Denkmalpflege eng auf den regionalen Rahmen ausgerichtet war, erweiterte sich das Spektrum von Forschung und Lehre unter der Leitung Sangmeisters deutlich. Sangmeister führte etwa umfangreiche metallurgische Serienuntersuchungen an urgeschichtlichen Metallobjekten durch und begann bedeutende Ausgrabungsprojekte wie die langjährigen Geländeforschungen in der kupferzeitlichen Siedlung Zambujal in Portugal. Besonders während der 1960er Jahre verbesserte sich das Lehrangebot am Institut deutlich, da zeitweilig die Möglichkeit bestand, habilitierte Fachvertreter im Rahmen einer Diätendozentur am Institut zu halten. |
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Durch die Berufung Wolfgang Hübeners (1924–2015) zum wissenschaftlichen Assistenten 1958 erweiterte sich das fachliche Spektrum des Instituts in Richtung Frühgeschichtliche Archäologie. Hübener habilitierte sich 1962 in Freiburg und wurde 1968 zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Fachliche Akzente setzte er unter anderem mit seinen Untersuchungen zu den Absatzgebieten früh-geschichtlicher Töpfereien, aber auch mit Projekten auf der Iberischen Halbinsel oder zur karolingerzeitlichen Pfalz Neudingen an der Donau. |
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Ebenfalls starke Bezüge zur Iberischen Halbinsel besaßen die Forschungen Wilhelm Schüles (1928–1997), der sich 1966 in Freiburg habilitierte und dem anschließend eine Diätendozentur verliehen wurde. Wenige Jahre später zum Professor ernannt, wirkte Schüle bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1993 am Freiburger Institut. Bekannt wurde er unter anderem durch seine Untersuchungen zur jüngeren Urgeschichte Spaniens und Portugals, aber auch als früher Vertreter eines kulturökologischen Ansatzes in der Ur- und Frühgeschichte. Diesem Schwerpunkt waren auch mehrere Abschlussarbeiten seiner Schüler gewidmet, die 1994 das Freiburger Institut für Paläo-wissenschaftliche Studien (FIPS) ins Leben riefen. |
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Ebenfalls im Bereich in der jüngeren Urgeschichte liegt der Schwerpunkt von Christian Strahm (*1937), der zunächst seit 1964 als Assistent am Institut tätig war und nach seiner Habilitation 1973 bzw. seit 1977 als Professor die Urgeschichte in Freiburg vertrat. Insgesamt wirkte er bis zu seiner Pensionierung 2003 fast 40 Jahre lang als Hochschullehrer in Freiburg. Bleibende Verdienste um das Fach erwarb er sich unter anderem, indem er als einer der ersten Gelehrten in seinen Forschungen konsequent naturwissen-schaftlichen Daten als Grundgerüst für die Chronologie der jüngeren Urgeschichte Europas heranzog. Große Bedeutung für die Urgeschichtliche Archäologie erlangte auch das von ihm mit initiierte DFG-Schwerpunktprogramm zu siedlungsarchäologischen Untersuchungen zum Neolithikum und der Bronzezeit im Alpenvorland, aber auch die Forschungen zur Rolle der Metalle in frühen Gesellschaften. In methodischer Hinsicht fanden unter anderem seine kritischen Reflektionen zum archäologischen Kulturbegriff Aufmerksamkeit, besonders anhand des Beispiels des sogenannten Glockenbecher-Phänomens. Grabungsprojekte stieß er etwa im urgeschichtlichen Metallproduktionszentrum von Cabrières in Südfrankreich an. |
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Ein weiterer langjähriger Kontinuitätsfaktor war Wolfgang Pape (*1943), der seine Tätigkeit am Freiburger Institut 1974 ebenfalls als Assistent begann und 1979 zum Akademischen Rat ernannt wurde. Zahlreiche Freiburger Studentengenerationen durchliefen bis zu seiner Pensionierung 2008 sein legendäres Einführungs-Proseminar. Bleibende Verdienste um das Institut erwarb er sich zudem durch den kontinuierlichen Ausbau der Institutsbibliothek. Darüber hinaus forschte er unter anderem zur Wissenschaftsgeschichte der Ur- und Frühgeschichte im „Dritten Reich“, führte aber auch Ausgrabungs-projekte zu Megalithen in Südfrankreich durch. |
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Heiko Steuer (*1939) trat 1984 die Nachfolge Edward Sangmeisters als Institutsdirektor an. Bereits kurz Beginn seiner Dienstzeit bezog das Institut 1985 neue Räumlichkeiten in der Belfortstraße 22, nach-dem es bis dahin in enger räumlicher Nähe zur archäologischen Denkmalpflege im ehemaligen Adelhauserkloster untergebracht gewesen war. Unter Steuers Leitung traten nun die Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie am Institut stärker in den Vordergrund, die seit Wolfgang Hübeners Weggang nach Hamburg 1977 verwaist gewesen war. Eine Konsequenz von Steuers fachlichen Schwerpunkten war, dass der Name des Instituts 1999 zu ‚Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters‘ erweitert wurde. Steuer führte bedeutende Ausgrabungen etwa in den völker-wanderungszeitlichen Höhensiedlungen auf dem Zähringer Burgberg bei Freiburg oder dem Geißkopf bei Berghaupten im Ortenaukreis durch und initiierte umfangreiche Untersuchungen zum mittel-alterlichen Bergbau im Schwarzwald. Große Bedeutung für das Fach besitzt auch seine Herausgebertätigkeit, besonders des ‚Reallexikons der Germanischen Altertumskunde‘ sowie der ‚Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters‘. Weithin beachtete fachliche Akzente setzte das Freiburger Institut zudem im Rahmen des Projekts ‚Ethnische Identitäten im Frühgeschichtlichen Europa‘ im Rahmen des Freiburger Sonderforschungsbereichs 541 ‚Identitäten und Alteritäten‘, das maßgeblich zu einer vertieften Grundlagenreflexion der Frühgeschichtlichen Archäologie beitrug. |
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In den Jahren nach dem Jahrtausendwechsel kam es in verschiedenen Bereichen zu wichtigen Veränderungen. Zunächst vollzog das Institut einen Generationenwechsel beim akademischen Personal: Auf dem Lehrstuhl für Urgeschichtliche Archäologie trat 2003 Christoph Huth (*1962) die Nachfolge Christian Strahms an. 2006 übernahm Sebastian Brather (*1964) den Lehrstuhl für Frühgeschichtliche Archäologie und Archäologie des Mittelalters. Einen Einschnitt in institutioneller Hinsicht bildete die Gründung des Instituts für Archäologische Wissenschaften 2008, in dem das bis dahin selbständige ‚Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters‘ in Form zweier Abteilungen aufging. Mit der Einführung der neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master änderte sich auch die Struktur des Studiums grundlegend. Von der weiterhin engen Verbundenheit der beiden Abteilungen zeugt aber unter anderem der gemeinsame Masterstudiengang ‚Archäologische Wissenschaften, Fachrichtung Ur- und Frühgeschichte‘. |