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Lehrsammlung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu den Abteilungen Urgeschichtliche Archäologie sowie Frühgeschichtliche Archäologie und Archäologie des Mittelalters des IAW  gehört eine umfangreiche Fundsammlung, die bereits im 19. Jh. zu Lehrzwecken angelegt wurde. Die über 11.000 einzelnen Objekte umfassen ein Spektrum vom Paläolithikum bis zur Neuzeit. Regionale Fundorte werden durch einige außereuropäische ergänzt. Einen Schwerpunkt bilden urgeschichtliche Artefakte aus Süddeutschland sowie Frankreich und der Schweiz. Die Geschichte der Lehrsammlung bietet Anknüpfungspunkte nicht nur an die Institutsgeschichte, sondern auch an die der städtischen Museen Freiburgs und der Denkmalpflege.

Fotos der Objekte sowie knappe Informationen dazu finden sich in der Bilddatenbank Freikon.

 

Kurzabriss zur Geschichte

Die Anfänge der Sammlung reichen ins 19. Jh. zurück. Einige Gegenstände der Sammlung haben ihren Ursprung in der archäologischen Privatsammlung des Freiburger Anatomen Prof. Alexander Ecker, der diese 1867 der Albert-Ludwigs-Universität zum Geschenk machte. Zusammen mit Steinwerkzeugen aus der Sammlung des Mineralogen Heinrich Fischers bildeten sie den Grundstock des damals von beiden neu gegründeten „Museums für Urgeschichte und Ethnographie“ an der Universität.

Die Leitung des Museums lag für viele Dekaden in den Händen der Professoren für Anthropologie/Anatomie und Geologie/Mineralogie. Der erste Urgeschichtlicher, Georg Kraft, kam erst 1926 an die Universität. Bereits 1904 wurde der ethnografische Bestand als Dauerleihgabe an die Stadt Freiburg übergeben, wo er in die städtische natur- und völkerkundliche Sammlung integriert wurde (heute Museum Natur und Mensch).

In der ersten Hälfte des 20. Jhs. wurde der damalige Bestand in einem Inventurbuch erfasst, das sowohl Auskunft über die Zusammensetzung des Fundbestandes gibt, aber auch Hinweise enthält, welche Objekte aus zeitgenössischen Grabungen, Schenkungen, Ankäufen und über Tausch in die Sammlung gelangt sind.

1936 wurde die Lehrsammlung mit der archäologischen Sammlung der Stadt Freiburg zusammengelegt und in einem neu gestalteten „Museum für Urgeschichte“ im Adelhauserkloster präsentiert. Das dort gemeinsam mit der Bodendenkmalpflege untergebrachte neu gegründete „Institut für Ur- und Frühgeschichte“ überstand den 2. Weltkrieg weitgehend unbeschädigt.  Im Juli 1949 konnte auch die Dauerausstellung wieder für das Publikum geöffnet werden. 1961 wurde das Museum für Urgeschichte allerdings geschlossen, die Sammlungen verpackt und eingelagert. Maschinengeschriebene Packzettel überliefern den damaligen Bestand.

Im Laufe der Zeit haben viele hundert Objekte Eingang in die Sammlung gefunden, deren Provenienz leider nicht immer mit Tiefenschärfe dokumentiert wurde. So lag der Bestand lange Zeit unerschlossen brach und wurde nur punktuell zu Lehrzwecken genutzt. Angestoßen durch ein studentisches Projekt im Jahr 2008 konnte eine neue Erfassung des aktuellen Bestandes 2019 abgeschlossen werden. 2024 wurde im Rahmen eines Projektes zur Provenienz der außereuropäischen Funde geforscht.

 

Das Spektrum der Funde

Heinrich Fischer zählt 1875 einige urgeschichtliche Funde im damaligen Museumsbestand auf, die zum Teil heute noch vorhanden sind. Dazu gehört beispielsweise ein Bärenschädel (Unterkiefer samt Eckzahn vom Höhlenbären, als Hiebwerkzeug benutzt), der unter den Funden vom Hohlefels bei Blaubeuren genannt wird. Darüber hinaus ließen sich Objekte aus Stein, Knochen und Horn, sowie in Glasgefäßen konservierte Holz-, Getreide- und Früchtereste den Pfahlbausiedlungen des Bodensees zuordnen (u. a. Wangen, Markelfingen, Nussdorf bei Überlingen). Den Großteil der Sammlung machen Steinartefakte und Keramikfragmente aus.

Bei einer beträchtlichen Anzahl von Gegenständen (ca. 440) handelt es sich um z.T. hervorragend gemachte Repliken, die aus der Thüringer Replikenwerkstatt Sonneberg (Markus Sommer)[1] stammen; die Originale befinden sich im Thüringer Landesmuseum [2]. Hierzu gehören zahlreiche Metallfunde, vorwiegend Messer, Beile und Nadeln. Zwei Objekte (Metalldolch, Rasiermesser) konnten den Werkstätten des RGZMs zugeordnet werden. Das Gros der Objekte wurde aus Gips hergestellt, beispielsweise zahlreiche Tierstatuetten aus dem Magdalénien sowie die Venus von Willendorf. Zu den jüngst zu datierenden Objekten zählt ein Schwert, an dem sich der Hinweis auf die Württembergischen Metallfabriken findet, von denen bekannt ist, dass sie während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Repliken frühmittelalterlicher Schwerter anboten.

 
Studentisches Projekt zur Erschließung 2008 - 2011

Die Lehrsammlung wurde seit den 1960er Jahren bis in jüngste Zeit nur sporadisch zu Studien- und Lehrzwecken genutzt, war in weiten Teilen unzureichend erschlossen und nur behelfsmäßig untergebracht. Eine studentische Arbeitsgruppe hatte sich seit Frühjahr 2008 bis 2011 unter Betreuung von Marina Krapf M.A. um eine Aufarbeitung des Fundstoffes bemüht. Ziel war es, die Funde sowohl fotografisch als auch textlich in einer Datenbank zu erfassen, um sie übersichtlich und zeitgemäß für Lehrveranstaltungen, aber auch für Studienzwecke zugänglich zu machen. Neben der Erfahrung mit dem Material selbst sammelten die Studierenden auch Kompetenzen beim Fotografieren und im Umgang mit Datenbanken. Ein Teilaspekt des Projektes war es neben der Erfassung der Objekte auch, die Entstehungsgeschichte der Sammlung nachzuzeichnen.[3]

 
Neuerfassung 2018/2019

Eine aus Haushaltsmitteln finanzierte Neuerfassung konnte das 2008 begonnene studentische Projekt im Jahre 2018 unter der Betreuung von Valerie Schoenenberg wieder aufgreifen und 2019 abschließen. Die nun gelisteten Basisdaten erlauben den Zugriff über das gesamte Material und ermöglichen die Implementierung in die Lehre. Alle Objekte wurden von Laura Kuhn und Anna Zimmermann gesichtet, inventarisiert und auf ihren Zustand geprüft. Es befinden sich somit derzeit unter über2000 Inventarnummern etwa 11.400 einzelne Objekte in der Sammlung. Ein weiterer Arbeitsschritt sieht die Detailerfassung mittels Fotografie sowie die Objekt- und Provenienzrecherche vor, um die Sammlung auch für die Instituts- und Wissenschaftsgeschichte fruchtbar zu machen. Erste Anhaltspunkte konnten Maria Kohle, Anna Zimmermann und Laura Kuhn bereits erarbeiten.[4]



Provenienzforschung zu kolonialen Kontexten im Sammlungsbestand

Zwischen Mai und November 2024 hat sich ein vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördertes Projekt mit den Erwerbungsumständen einiger außereuropäischer Funde befasst. Aus den bei der Inventarisierung 2018/19 zusammengetragenen Informationen hatten sich zahlreiche Verdachtsfälle ergeben, für die eine Beschaffung unter formalen Kolonialherrschaften bzw. von kolonialen Strukturen geprägten Umständen zu vermuten war.

Ziel des Projektes war es v. a., diese und mögliche weitere Verdachtsfälle näher zu untersuchen und Informationen zu beteiligten Personen, Eingangs- und Beschaffungszeiträumen sowie deren Umständen zu recherchieren. Zentral war dafür die Sichtung von Archivgut des Museums/Instituts sowie relevanter Korrespondenz der ehemaligen Sammlungsleiter.

Im heutigen Bestand der Lehrsammlung finden sich mehrere Objekte aus Regionen, die zum Beschaffungszeitpunkt unter formalen europäischen Kolonialherrschaften standen. Dazu gehören einige Objekte aus Java, die 1908 von Johannes Elbert in der damaligen Kolonie Niederländisch-Indien ausgegraben wurden. Aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Neuguinea sind zwei Posten nach Freiburg gelangt, darunter ein Steinbeil, das 1903 durch den „Sammler“ Carl Wahnes beschafft und über eine Zwischenstation in der Sammlung Friedrich Förster 1933 an die UFG geschenkt wurde. Über den Freiburger Professor für Mineralogie Hans Schneiderhöhn gelangten 1929 oder kurz darauf mehrere Steinartefakte und Keramikfragmente in die Sammlung, die aus der britischen Kolonie Südrhodesien (Simbabwe), dem britischen Dominion Südafrika sowie der Kolonie Deutsch-Südwestafrika (Namibia) stammten.

Die Ergebnisse des Projektes sind in Kurzfassung in den jeweiligen Einträgen in der Bilddatenbank Freikon einsehbar.

 

Gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste  

 

 (Marina Krapf / überarbeitet 2020 von Valerie Schoenenberg und 2024 von Laura Kuhn)

 
Kontakt

[1] Die Werkstatt stellt heute unter dem Namen SOMSO anatomische Modelle her.

[2] Siehe dazu den Ausstellungskatalog: Ur- und Frühgeschichte Thüringens: Büttner, W./Dusek, S. (Hrsg.),Ur- und Frühgeschichte Thüringens : Ergebnisse archäologischer Forschung in Text und Bild (Stuttgart 1999).

[3] Krapf, M/Brabant, J./Kuhn, L., Die Lehrsammlung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Freiburg und ihre badischen Funde, in: Archäologische Nachrichten aus Baden, Heft 83, 2011, 51-58.

[4] Kohle, M./Kuhn, L./Zimmermann, A., Von der Axt zur Zwiebelknopffibel. Die Lehrsammlung der Abteilungen für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Freiburg, in: Archäologische Nachrichten aus Baden, Heft 95, 2019, 36-50.