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Neolithischer Hämatitbergbau im Südschwarzwald

von Gert Goldenberg

Hämatit - Rötel - roter Ocker

Hämatit ist ein Eisenoxidmineral (Fe2O3), das zu den frühesten vom Menschen genutzten mineralischen Rohstoffen zählt. Hämatithaltige Mineralgemenge werden in archäologischem Zusammenhang gewöhnlich als »Rötel« oder auch »roter Ocker« bezeichnet. Der Abbau von Rötel gehört zu den frühesten Bergbauaktivitäten der Menschheit; so sind paläolithische Rötelgruben von der griechischen Insel Thasos, aus Polen (Rydno) und Ungarn (Lovas) bekannt.

RötelHämatit, zu Pulver zerrieben, färbt die Haut anhaltend rot. Die Verwendung von Rötel reicht bei einigen Naturvölkern Afrikas bis in die Gegenwart. So benutzen die Frauen der Himbas, einem Hirtenvolk in Namibia, noch heute ein Gemisch aus zerriebenem Rötel und Tierfett zur Körperpflege. Der Gebrauch von Rötel in der Urgeschichte kann vorwiegend im rituellen Bereich angenommen werden; als Symbol für das Blut und damit für das Leben wurde Rötel beispielsweise bei Bestattungsritualen verwendet, in der Höhlenmalerei und zur Körperbemalung. Seit dem Neolithikum diente Rötel auch zur Bemalung von Keramik

Hämatitvorkommen im Südschwarzwald

 

Hämatit-Gang
Hämatitlagerstätte

Im Südschwarzwald treten im Bereich Sulzburg - Münstertal - Belchen zahlreiche hämatitführende Erzgänge auf. Stellenweise hat eine Verkieselung des Nebengesteins im Bereich dieser Gänge zur Herausbildung markanter, aus den Gneisen des Grundgebirges hervortretenden Felsgruppen geführt.

An den Hängen unterhalb der Vererzungen zeigen sich ausgedehnte Schutthalden mit hämatithaltigen, stark verkieselten Blöcken, begleitet von roten Bodensubstraten. Hämatit kommt fein verteilt in hornsteinartigem Quarz vor sowie in Form von Kluftbelägen oder auch derben Massen; Begleitminerale sind Quarz und Schwerspat.

Im Bereich dieser Vorkommen ist es Norbert Kindler aus Freiburg in den 1980er Jahren gelungen, an zwei Lokalitäten prähistorische Bergbauspuren aufzufinden. Diese konnten im Rahmen von montanarchäologischen Forschungsprojekten, die von der Volkswagen-Stiftung gefördert wurden, untersucht werden [1] (Projektleiter: Prof. Dr. Heiko Steuer).

Neolithische Hämatitgewinnung in Münstertal-Rammelsbach

Im Jahre 1989 konnte erstmals auf einer der beiden Fundstellen eine archäologische Ausgrabung erfolgen [2, 3]. Im Zuge dieser Arbeiten wurde eine kleinräumige prähistorische Hämatitgewinnung im Tagebau nachgewiesen. Die hierbei aufgefundenen Steinwerkzeuge erlauben eine Aussage über das Ausmaß der urgeschichtlichen Aktivitäten.

Geröllschlägel
Geröllschlägel mit rekonstruierter Schäftung

Hochrechnungen, die sich an den Funden von Werkzeugfragmenten in den Halden orientierten, ergaben, dass die Anzahl der insgesamt zum Einsatz gekommenen Geröllschlägel sich in einer Grössenordnung von 5.000 bis 10.000 Stück bewegt. Als wahrscheinlich kann ein saisonales und jeweils nur kurzzeitiges Aufsuchen des Vorkommens durch neolithische Bergleute in kleinen Gruppen gelten. Ziel war es, den Eigenbedarf der zugehörigen Gemeinschaft zu decken. In dieser Form kann mit einer über mehrere Jahrzehnte andauernden Ausbeutung des Hämatitvorkommens gerechnet werden.

Eine genauere zeitliche Einstufung der Bergbauspuren in Münstertal-Rammelsbach ist aufgrund fehlender datierbarer Artefakte bislang nicht möglich gewesen. Lediglich über den Vergleich mit dem neolithischen Feuersteinbergbau bei Kleinkems am Oberrhein [4], bei dem die gleichen Werkzeugtypen verwendet wurden, kann eine Annäherung an die Zeitstellung erfolgen. Der Feuersteinbergbau von Kleinkems wird anhand von Grabfunden in die Zeit der Michelsbergerkultur datiert, kann jedoch auch älter sein

Bandkeramischer Hämatit-Bergbau bei Sulzburg

1997 konnte erstmals auch die zweite Fundstelle mit prähistorischen Bergbauspuren bei Bad Sulzburg archäologisch untersucht werden [5]. Die Ausgrabungen erbrachten einen von seinen Ausmaßen her mit der Fundstelle im Münstertal vergleichbaren Umfang des Bergbaus.

Neolithische Grubenprofile
Profilschnitte durch die Rötelgrube von Bad Sulzburg

Neben kleineren Abbaurinnen und -höhlungen entlang einer linear verlaufenden Anreicherung von Hämatit konnte hier erstmals auch eine Grube freigelegt werden, die aus bergbautechnischer Sicht an der Schwelle vom Tage- zum Untertage-Bergbau steht. In dieser vier Meter langen, einen Meter breiten und bis zu drei Meter tiefen Abbaugrube, die bei ihrer Auffindung völlig verfüllt war, haben sich zahlreiche Artefakte aus der Betriebszeit erhalten, in erster Linie Steinhämmer bzw. Fragmente von solchen.

Drei Holzkohleproben wurden für eine 14C-Datierung (AMS) herangezogen und erbrachten Alter (2 sigma, 95 % Wahrscheinlichkeit) von cal BC 5290 - 5050 (Beta 105503), cal BC 5255 - 4940 (Beta 105505) und cal BC 4805 - 4515 (Beta 105504). Die Bergbauaktivitäten bei Bad Sulzburg lassen sich demnach in die Zeit um 5.000 v. Chr. und damit in die Zeit der Bandkeramischen Kultur am Oberrhein stellen. Mit dieser frühen Datierung ist der Hämatitbergbau von Bad Sulzburg der bislang älteste nachgewiesene Untertage-Bergbau in Deutschland und steht aus kulturgeschichtlicher Sicht am Anfang der organisierten bergmännischen Gewinnung von mineralischen Rohstoffen in Mitteleuropa.

Radiokarbondatierung
14C-Analyse einer Holzkohleprobe aus der Rötelgrube von Bad-Sulzburg
Der Befund lässt insbesondere anhand der Werkzeugfunde eine bereits ausgeprägte Spezialisierung hinsichtlich der angewandten Abbautechnik erkennen und auf die Arbeit von erfahrenen Spezialisten schließen, die sich in ihrem Kulturkreis - zumindest zeitweise - mit der bergmännischen Steingewinnung befassten. Der kleinräumige Bergbau auf Hämatit hatte auch hier aller Wahrscheinlichkeit nach im Wesentlichen die Deckung des Eigenbedarfes einer regionalen Gruppe zum Ziel.

Abbautechnik und Werkzeug des neolithischen Bergmannes

 Hämatit-Gang

Die Sohle der Rötelgrube in Bad-Sulzburg mit Steinwerkzeugen in situ

Die vom neolithischen Bergmann (Bergfrau?) angewandte Abbautechnik bestand im Wesentlichen in der „zermalmenden Gewinnung“, das heißt, in der Zermürbung des hämatitführenden Gesteins durch harte Schläge mit Steinhämmern. Dies wird zum einen durch die im Fels verbliebenen Abbauspuren verdeutlicht, die für diese Abbautechnik charakteristische rundliche Formen zeigen, zum anderen durch das Artefaktenspektrum, das nahezu ausschließlich aus Geröllschlägeln und Fragmenten von solchen besteht.

Die Geröllschlägel lassen bezüglich der verwendeten Gesteinssorten eine gezielte Materialauswahl erkennen; nahezu ausnahmslos wurden zu ihrer Herstellung gut gerundete Gerölle aus Quarzit oder quarzitischem Sandstein herangezogen. Dieses Gestein besitzt aufgrund seiner inneren Struktur die für die Arbeit am Fels notwendige Härte und Zähigkeit.

Geröllschlägel
Geröllschlägel

Geeignete Gerölle konnten in den über 15 Kilometer von den Abbaustellen entfernt gelegenen Schotterbänken des Oberrheines aufgesammelt werden. Das Gewicht der Schlägel bewegt sich zwischen 350 g und 2,5 kg. Größere Gerölle waren zur besseren Handhabung mit einer Schäftung versehen; hierauf weisen eingepickte Kerben und Aufrauhungen an den seitlichen Geröllflächen hin. Die kleineren Schlägel wurden in der Regel ohne Schäftung verwendet und direkt in der Hand geführt.

Die Gewinnung mineralischer Rohstoffe im Oberrheingebiet und in benachbarten Regionen während des Neolithikums

Der neolithische Hämatitbergbau im Südschwarzwald fügt sich zwanglos in das Bild der neolithischen Lebenswelt im Oberrheingebiet ein, zu deren Grundlage die gezielte Nutzung mineralischer Rohstoffe gehörte. In den letzten Jahren haben sich die Kenntnisse zu diesem Themenbereich stark erweitert.

Hämatit-Gang
Neolithischer Bergbau im Dreiländereck (D/F/CH):
  1. Münstertal-Rammelsbach (Hämatit)
  2. Bad-Sulzburg (Hämatit)
  3. Kleinkems (Silex)
  4. Lampenberg-Stälzler (Silex)
  5. Pleigne-Löwenburg (Silex)
  6. Plancher-les-Mines (Tongestein)
  7. Saint-Amarin (Tongestein)

Spektakulär sind die im Jahre 1989 von französischen Wissenschaftlern entdeckten Tongesteinabbaue bei Plancher-les-Mines in den Südvogesen [6]. Die schwarzen Tongesteine (frz.: „pélite-quartz“) dieses Vorkommens standen vor allem im 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. im Abbau, und die aus diesem Gestein gefertigten Beile fanden eine weite Verbreitung in Ostfrankreich, in der Schweiz und in Südwestdeutschland.

Die neuen archäologischen Befunde - zu denen auch weitere neolithische Silex-Bergbaureviere im Schweizer Jura gehören [7] - verleihen dem prähistorischen Aspekt der regionalen Montanarchäologie einen ganz neuen Stellenwert. Zweifellos sind die archäologischen Quellen zu diesem Abschnitt der Geschichte bei weitem noch nicht ausgeschöpft, und für die Montanarchäologie eröffnet sich mit diesem Themenbereich ein weites und spannendes Forschungsfeld.

Literatur

[1] Goldenberg, G., Steuer, H.
Montanarchäologische Forschungen im Südschwarzwald.
Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, Heft 4 (1998), 197 ff.
 
[2] Steuer, H., Goldenberg, G., Zimmermann, U., Brunn, A.
Zum Fortgang der montanarchäologischen Untersuchungen im südlichen Schwarzwald.
Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1989 (1990), 226-241.
 
[3] Zimmermann, U., Goldenberg, G.
Urgeschichtlicher Hämatitbergbau im Südschwarzwald.
Der Anschnitt 43, (Heft 1) 1991, 2-10.
 
[4] Schmid, E.
Der jungsteinzeitliche Abbau auf Silex bei Kleinkems, Baden-Württemberg.
Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum 22 (1980), 141-165.
 
[5] Goldenberg, G., Kaiser, M., Maass, A.
Neolithischer Hämatitbergbau bei Sulzburg, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald.
Archäologische Ausgrabungen Baden-Württemberg 1997 (1998), 33-35.
 
[6] Petrequin, P., Jeunesse, Ch.
La hache de pierre. Carrières vosgiennes et échanges de lames polies pendant le Néolithique.
(1995).
 
[7] Sedlmeier, J.
Silexbergbau.
In: Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum Mittelalter, Bd. 2 (1995), 124-129
Rötel